Wirtschaftsvereinigung sieht Energiewende in der Grafschaft auf einen guten Weg

Bildunterschrift: Geschäftsführerin Gitta Mäulen und der Vorstand der Wirtschaftsvereinigung der Grafschaft Bentheim mit dem Festredner Prof. Dr. Dr. Lars P. Feld beim Neujahrsempfang am 11.01.2023 im NINO-Hochbau in Nordhorn. Bildquelle: Wirtschaftsvereinigung der Grafschaft Bentheim e.V. 

Neujahrsempfang: Festredner Prof. Dr. Dr. Lars Feld ordnet wirtschaftlich-politische Lage Deutschlands ein 

Nach einer zweijährigen Pause startete die Wirtschaftsvereinigung Grafschaft Bentheim am 11. Januar 2023 mit ihrem traditionellen Neujahrsempfang in das neue Jahr. Neben dem Festredner Prof. Dr. Dr. Lars P. Feld begrüßte der Vorstandsvorsitzende Klaas Johannink mehr als 380 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft im Manz-Saal des NINO-Hochbaus in Nordhorn.

Mit einem kurzen Blick zurück auf die Herausforderungen des Jahres 2022 mit den Auswirkungen des Russland-Ukraine-Krieges und der daraus resultierenden Energiekrise sprach Klaas Johannink zu Beginn der Veranstaltung auch den Klimawandel an. „Erzeugung, Speicherung, Verteilung und Verbrauch, wir müssen an allen Stellschrauben gleichzeitig arbeiten. Auf europäischer, auf nationaler, aber auch hier auf ganz lokaler Ebene.“ Man wolle in der Grafschaft Bentheim lokale Energiecluster in den Blick nehmen, um Energiequellen und -verbraucher in unmittelbarer Nachbarschaft miteinander zu vernetzen. In Bezug auf lokale Chancen zur Umsetzung der Energiewende betonte Klaas Johannink: „Durch die Grafschaft und in unmittelbarer Nähe verlaufen Pipelines, die für den überregionalen Transport von Wasserstoff zukünftig eine wichtige Rolle spielen werden“.

Ein weiteres zentrales Thema für die regionale Wirtschaft sei der Mangel an Arbeitskräften. „Offene Stellen zu besetzen ist und bleibt schwierig, immer häufiger hören wir von Aufträgen, die aufgrund von Personalmangel abgesagt oder geschoben werden“, mahnte Johannink. Er wies auf Berechnungen von Experten mit der Prognose hin, dass auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland demnächst jährlich 600.000 Arbeitskräfte fehlen werden. Für die Grafschaft würde das bedeuten, „dass wir etwa 1.000 Arbeitskräfte pro Jahr von außen hinzugewinnen müssen“, so Johannink, der in diesem Zuge ein modernes Einwanderungsrecht ohne bürokratische Hürden sowie mehr Chancengleichheit im Bildungssystem forderte. „Vor diesem Hintergrund können wir es uns nicht leisten, dass Bildungschancen bei uns weiterhin vom sozialen Status und Geldbeutel der Eltern abhängig sind.“ Man müsse noch stärker Ressourcen für die Betreuung, Ausbildung und Förderung aller Kinder und Jugendlichen aufbauen – vor allem die Ausweitung von Ganztagsangeboten von der Kita bis zum Gymnasium müsse auf der Agenda nach oben rücken sowie geeignete räumliche und technische Lernumgebungen geschaffen werden. Die bereits begonnen Aktivitäten zum Aufbau eines Campus Berufliche Bildung (CBB) sollten aus Sicht der Wirtschaftsvereinigung weiter forciert werden, um die Ausbildung von Fachkräften zu stärken. Hier bringe sich die Wirtschaftsvereinigung und Mitgliedsunternehmen aktiv ein.

Zum Ende seiner Rede bezog Klaas Johannink, im Namen des gesamten Vorstandes der Wirtschaftsvereinigung, Stellung zu einem Thema, welches in der Grafschaft für echten Zündstoff sorgt. Den Neubau einer Eissporthalle in Nordhorn halte man für ein „völlig falsches Signal“. Die Baukosten und der enorme Energiebedarf einer künftigen Halle stünden in einem Missverhältnis zu gesellschaftlichem Vorteil, stellte Johannink heraus. „Wir müssen mit allen Ressourcen – sei es Geld, sei es Energie – sorgsam haushalten. Eine neue Eissporthalle wäre das glatte Gegenteil“, mahnte Johannink.

Der diesjährige Festredner Prof. Dr. Dr. Lars P. Feld ordnete in seinem Vortrag zum Thema “Krisenfest in Zeiten geostrategischer Herausforderungen – was zu tun ist” die Krisen, Erschütterungen und Zeitenwenden ein und erläuterte, wie sich Deutschland angesichts der geostrategischen Herausforderungen 2023 positionieren sollte. Die Welt stehe vor großen politischen Herausforderungen, die erhebliche wirtschaftliche Effekte haben könnten. Viele Menschen würden sich daher fragen, wie diese bewältigt werden sollten. „Man sieht 2022 in Europa, in den USA und in China eine Wachstumsverlangsamung gegenüber den Vorjahren. Aber es ist kein Einbruch – wir befinden uns in einer Stagnationsphase“, betonte der Volkswirtschaftler und Direktor des Walter Eucken Instituts. Prof. Dr. Dr. Feld, seit 2022 persönlicher Berater des Bundesministeriums der Finanzen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, sagte für die kommenden Jahre anhaltend hohe Inflationsraten bei anhaltendem Arbeitskräftemangel voraus. Er forderte Deregulierungen und eine Politik des knappen Geldes mit der Folge höherer Zinsen. Steuererhöhungen wirkten hingegen kontraproduktiv. Kritische Worte fand der Professor im Zuge dessen für die Wirtschaftspolitik in der Corona-Krise, wonach die Hilfsmaßnahmen zu lange gelaufen seien. Feld sprach sich daher für eine restriktivere Geldpolitik zur Bekämpfung der Inflation aus – gegebenenfalls auf Kosten einer Rezession.

Der Experte ging in seinem Vortrag auch auf die Außenpolitik ein. Deutschland habe mit einem starken Außenhandel eine große Wertschöpfung, aber gleichzeitig auch eine große Abhängigkeit geschaffen – insbesondere von China. Diese müsse reduziert werden mit Konzentration auf Länder, die auf der Seite des Westens und der USA stehen.