Nachhaltigkeit im Fokus: Chancen und Herausforderungen für den Mittelstand

Talkrunde mit Unternehmensvertretern und Experten aus dem Banken- und Finanzsektor im Rahmen der Veranstaltung „Nachhaltigkeit – Chancen und Herausforderungen für den Mittelstand“ vor rund 60 Vertreterinnen und Vertreter regionaler Mitgliedsunternehmen der Wirtschaftsvereinigung Grafschaft Bentheim. Bildquelle: Wirtschaftsvereinigung der Grafschaft Bentheim e.V. 

Praxisnahe Einblicke bei der Herangehensweise und Umsetzung von Nachhaltigkeitsvorgaben 

Nachhaltigkeit ist längst kein Trend mehr, sondern eine Anforderung, der sich Unternehmen jeder Größe stellen müssen. Obwohl kleine und mittlere Unternehmen (KMU) nicht gesetzlich dazu verpflichtet sind, ihre Nachhaltigkeitspraktiken offenzulegen, steigt der Druck seitens Investoren, Banken, Kunden, Geschäftspartnern sowie Mitarbeitenden, genau das zu tun. Welche Bedeutung hat Nachhaltigkeit für Unternehmen aus der Region? Welche Regeln und Verordnungen betreffen KMUs direkt oder auch indirekt als Zulieferer und Kreditnehmer? Und wie können sich Unternehmer auf den Nachhaltigkeitsdialog mit Finanzierungspartnern vorbereiten?

Um dieses Thema aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten, organisierte die Wirtschaftsvereinigung Grafschaft Bentheim in Kooperation mit der Wirtschaftsförderung des Landkreises Grafschaft Bentheim, der Kreissparkasse Grafschaft Bentheim zu Nordhorn und der Grafschafter Volksbank eG eine Informationsveranstaltung mit dem Titel “Nachhaltigkeit – Chancen und Herausforderungen für den Mittelstand”. Zu dieser Veranstaltung trafen sich rund 60 Vertreterinnen und Vertreter regionaler Wirtschaftsunternehmen im NINO-Hochbau in Nordhorn. Das Ziel dieser Veranstaltung wurde von Gitta Mäulen, Geschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung, klar definiert: „Wir möchten die Herausforderungen beim Thema Nachhaltigkeit für den Mittelstand greifbar machen, Ansatzpunkte für Handlungsmöglichkeiten eröffnen und den Austausch befördern“.

Die Referenten Dr. Andreas Oldeweme von der Unternehmensberatung zeb sowie aus der Praxis Dr. Dirk Deppe von Deppe Backstein-Keramik aus Uelsen-Lemke und Nils Moggert von der Firma Werkstätten aus Nordhorn beleuchteten die Herausforderungen und Möglichkeiten von Nachhaltigkeit in KMUs.

Oldeweme erläuterte zunächst umfassend die Herausforderungen und Facetten von Nachhaltigkeit in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Er verdeutlichte, wie Unternehmen durch eine Nachhaltigkeitsstrategie Chancen am Markt nutzen können. „Nachhaltigkeit wird von vielen Seiten gefordert und entwickelt sich in vielen Branchen zum Marktstandard. Der Veränderungsdruck von verschiedenen Seiten wächst“, erklärte er und betonte, dass Nachhaltigkeit einen hohen Stellenwert für den deutschen Mittelstand habe. Treiber seien vor allem Kunden, die zunehmend nachhaltige Produkte und die dazugehörige qualifizierte Beratung verlangen. Aber auch die gesellschaftliche Verantwortung, eigene Mitarbeitende, Anforderungen von Kapitalgebern, gesetzliche Vorgaben oder internationale Abkommen, wie beispielsweise das Pariser Klimaabkommen, definieren den Rahmen für Nachhaltigkeit auf nationaler und internationaler Ebene und setzen Unternehmen unter Handlungsdruck.

Bezogen auf den Landkreis Grafschaft Bentheim zeigte Oldeweme die ESG-Volumina von insgesamt 182 Millionen Euro pro Jahr auf und unterstrich die Bedeutung von Nachhaltigkeit besonders in Branchen wie Land- und Forstwirtschaft (121,8 Mio. Euro) sowie im verarbeitenden Gewerbe (19,9 Mio. Euro).

Welche Chancen bietet eine Nachhaltigkeitsstrategie für den Mittelstand?

Oldeweme hob die einzigartige Position des Mittelstandes hervor, um von den Gesichtspunkten ESG, das heißt Berücksichtigung von Kriterien aus den Bereichen Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung, zu profitieren. Eine Auseinandersetzung mit ESG-Themen kann innovative Lösungen fördern, den Zugang zu Kapital erleichtern und Kosten einsparen. Die Berücksichtigung von ESG-Faktoren minimiert Risiken wie Reputationsverluste, regulatorische Sanktionen oder Lieferkettenunterbrechungen und stärkt die langfristige Stabilität und Widerstandsfähigkeit der Unternehmen. Zudem kann ein starkes ESG-Engagement dazu beitragen, qualifizierte Mitarbeitende anzuziehen und zu binden, insbesondere junge Talente, die Wert auf Unternehmen legen, die ihre Werte teilen und sich aktiv für soziale und Umweltbelange einsetzen.

Praxisnahe Einblicke aus Unternehmenssicht

Dr. Dirk Deppe, Geschäftsführer von Deppe Backstein-Keramik, gewährte Einblicke in die Nachhaltigkeitsbemühungen seines Unternehmens, das jährlich etwa 24 Millionen Klinker und Ziegelsteine produziert. Deppe verdeutlichte die massiven Herausforderungen, vor denen sein Unternehmen stehe: „In unserer Ziegelei finden hochthermische Prozesse statt. Um die Primärenergienutzung deutlich zu reduzieren und CO2-neutral zu werden, müssen wir den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben und gleichzeitig die Speicherproblematik lösen.“ Das Unternehmen konnte bereits eine Vielzahl von Energieeffizienzmaßnahmen umsetzen, teilweise mit Fördermitteln, und in die Stromeigenerzeugung investieren. Hier befinde man sich in einem stetigen Prozess. Mit einem eigenen Windrad als Stromlieferant wollte man das Unternehmen netzunabhängig und gleichzeitig CO2-neutral aufzustellen. Allerdings ist der politische Wille nicht immer im Einklang mit den Anforderungen in der Administration. Deshalb appellierte Deppe: „Es besteht ein dringender Bedarf an mehr Klarheit beispielsweise im Bereich des Artenschutzes, um bürokratische Hürden auf dem Weg zur Klimaneutralität abzubauen.“

Auch Nils Moggert, Geschäftsführer bei Werkstätten, schilderte aus Unternehmenssicht seine Erfahrungen und stellte umgesetzte Produkte für das eigene Unternehmen und für Kunden zur Optimierung in den Bereichen Umwelt, Energie und Nachhaltigkeit vor. Seit fast sechs Jahrzehnten ist das Unternehmen im Behälter-, Apparate- und Anlagenbau aus Edelstahl und Stahl spezialisiert. Angesichts des steigenden Drucks auf Landwirtschaft, Industrie und Kommunen, Nebenprodukte und Abfälle effizient zu recyceln, erkennt Werkstätten in den hohen politischen und gesellschaftlichen Erwartungen auch Chancen. „Dezentrale Verwertungskonzepte rücken immer mehr in den Vordergrund und bieten spürbare Entlastung“, betonte Moggert. Mit einem Drehrohrkessel entwickelte das Unternehmen ganzheitliche thermische Konzepte, um Stoffströme wie Mühlennebenprodukte, Gärreste oder Klärschlamm unabhängig, zukunftssicher und emissionsarm verwerten und wertvolle Inhaltsstoffe recyceln zu können. Weitere hervorzuhebende und umgesetzte Energie- und Nachhaltigkeitsprodukte sind Pyrolysereaktoren zum Kunststoffrecycling, Skid-Lösungen zur Biomethanaufbereitung sowie große Warmwasserpufferspeicher für ein effizientes Energiemanagement.

Nachhaltigkeitsdialog mit Finanzierungspartnern: Experten geben Tipps für Unternehmen

Aufgrund der zunehmenden Bedeutung an die Berichterstattung von Nachhaltigkeitskennzahlen fordern Banken von ihren Firmenkunden mittlerweile ESG-Daten. Unter der Moderation von Ralf Hilmes von der Wirtschaftsförderung des Landkreises diskutierten Experten aus dem Banken- und Finanzsektor der Grafschafter Volksbank und der Kreissparkasse Grafschaft Bentheim in einer Talkrunde darüber, wie Unternehmen sich auf den Nachhaltigkeitsdialog mit Finanzierungspartnern vorbereiten können. Die Experten gaben dabei hilfreiche Tipps und Einblicke, wie Nachhaltigkeitsstrategien effektiv kommuniziert und transparent dargelegt werden können. Es wurde den Unternehmern empfohlen, frühzeitig mit der transparenten Kommunikation ihrer Nachhaltigkeitsstrategien zu beginnen, um für weitere Schritte vorbereitet zu sein. Dazu gehört unter anderem eine Standortanalyse, um zu ermitteln, welche Nachhaltigkeitsmaßnahmen bereits umgesetzt wurden. Beispiel für nachhaltige Maßnahmen sind die nachhaltige Mobilität durch E-Autos, die Implementierung umweltfreundlicher Technologien, die Umsetzung digitaler Lösungen aber auch die Weiterbildung der Mitarbeitenden sowie das Engagement für soziale Zwecke zur Verbesserung der sozialen Nachhaltigkeit.

Die Bankenvertreter stellten jedoch klar, dass die Berichterstattung von Nachhaltigkeitskennzahlen derzeit noch keinen direkten Einfluss auf die Kreditvergabe habe. Insgesamt verdeutlichte die Veranstaltung die steigende Bedeutung von Nachhaltigkeit für KMU und bot konkrete Handlungsempfehlungen sowie Praxisbeispiele für eine erfolgreiche Umsetzung nachhaltiger Strategien.