Jahresrückblick mit klarer Zukunftsagenda

Vor über 360 Gästen im NINO-Hochbau in Nordhorn hielt Prof. Dr. Martin Andree die Festrede anlässlich der diesjährigen Mitgliederversammlung der Wirtschaftsvereinigung Grafschaft Bentheim. Bild: Wirtschaftsvereinigung der Grafschaft Bentheim e.V.

Mitgliederversammlung der Wirtschaftsvereinigung Grafschaft Bentheim

Bei ihrer Mitgliederversammlung am 25. Juni 2025 stellten Geschäftsführung und Vorstand der Wirtschaftsvereinigung Grafschaft Bentheim ihren Geschäftsbericht für das Jahr 2024 vor. Gleichzeitig präsentierten sie die Themenschwerpunkte für das laufende Geschäftsjahr.

Austausch und Information bleiben zentrale Elemente

Die Wirtschaftsvereinigung blickt auf eine positive Bilanz zurück und konnte im vergangenen Jahr über 2.000 Gäste bei 47 Veranstaltungen und Arbeitskreisen begrüßen. Zudem wurden dreizehn neue Mitgliedsunternehmen aufgenommen – ein Zeichen für die Relevanz des Netzwerks in herausfordernden Zeiten.

Geschäftsführerin Gitta Mäulen betonte in ihrem Bericht, wie wichtig der Austausch und das gemeinsame Agieren in wirtschaftlich und politisch unsicheren Zeiten sei: „Gerade in einer Phase, die von Umbrüchen und Tempo geprägt ist, braucht es den intensiven Austausch zwischen Unternehmen mit Politik und Verwaltung“.

Im Fokus der Arbeit stehen vier Kompetenzfelder: Bildung und Fachkräfte, Energie und Energieeffizienz, Digitalisierung und Innovation und regionalpolitische und wirtschaftliche Entwicklung. Zahlreiche Informationsveranstaltungen widmeten sich Themen wie der Fachkräftegewinnung aus dem Ausland (z.B. „Anwerben, Integrieren, Vernetzen – Auszubildende und Fachkräfte aus Mexiko und Südafrika“), psychischen Erkrankungen am Arbeitsplatz, kommunaler Wärmeplanung oder der Digitalisierung von Arbeitsprozessen (z.B. „Optimierung digitaler Workflows: Effizienz steigern, Fehler minimieren“).

Zukunft gestalten: Projekte mit Wirkung

Ein zentrales Projekt ist die Entwicklung und Mitgestaltung des Campus Berufliche Bildung, der jungen Menschen praxisnahe Perspektiven eröffnen soll. Mit dem Projekt „KomIn 4.0 – Kompetenzzentrum Integration 4.0“ setzt die Wirtschaftsvereinigung als Projektpartner gemeinsam mit der Volkshochschule Grafschaft Bentheim als Projektträger auf die Arbeitsmarktintegration qualifizierter Geflüchteter. Darüber hinaus startete im November 2024 „Perspektive Ems-Vechte“, ein Gemeinschaftsprojekt mit dem Wirtschaftsverband Emsland, das die Zuwanderung und Integration von internationalen Fach- und Arbeitskräften sowie Auszubildenden ganzheitlich gestaltet. Neben der beruflichen Integration werden kulturelle, gesellschaftliche und soziale Aspekte berücksichtigt, um Zugewanderten die Region als neues Zuhause näherzubringen.

Ein neues Format zum regionalen Wirtschaftsdialog ist der Podcast „Chefsache(n)“, der Anfang 2024 gemeinsam mit den Grafschafter Nachrichten initiiert wurde. Im Wirtschaftspodcast spricht GN-Redakteur Rolf Masselink mit bekannten Personen aus der Region über aktuelle wirtschaftliche Entwicklungen, Megatrends und Strategien. Nach erfolgreicher erster Staffel ist Anfang 2025 bereits die zweite Staffel angelaufen.

Vorstandsvorsitzender mit klarer Botschaft: „Strukturelle Reformen angehen“

Im öffentlichen Teil der Versammlung begrüßte der Vorstandsvorsitzende Klaas Johannink über 360 Gäste aus Wirtschaft, Verwaltung, Politik und Gesellschaft. In seiner Rede beleuchtete er zunächst die politischen Entwicklungen auf nationaler und internationaler Ebene – von der Bundestagswahl 2025 und dem neuen Bundeskanzler Friedrich Merz über die Wahl Donald Trumps in den USA bis hin zur angespannten Haushaltslage in Deutschland.

„Es fehlt weiterhin immer noch der Druck, strukturell wichtige Reformen entschlossen anzugehen“, so Johannink. Mit Blick auf die Region Grafschaft Bentheim forderte er, Prioritäten klar zu setzen und sich auf Themen mit Zukunft zu konzentrieren. Die verpflichtende Ganztagsbetreuung an Grundschulen ab 2026 sei eine Chance für mehr Bildungsgerechtigkeit insbesondere für Kinder aus sozial schwierigen Verhältnissen sowie für eine höhere Erwerbsbeteiligung insbesondere bei Frauen. Der Campus Berufliche Bildung sei ein bedeutender Baustein, um jungen Menschen Perspektiven zu bieten und Begeisterung für Arbeit zu wecken.

Handlungsbedarf sieht der Vorstandsvorsitzende auch beim Thema Wohnraum. Die N-Bank bescheinige der Grafschaft Bentheim den niedersachsenweit größten Bedarf an zusätzlichem Wohnraum – hier müsse die baurechtliche Seite dringend vereinfacht werden.

Gute Entwicklungsmöglichkeiten sieht er in der Energie-Infrastruktur: „Unsere starke Anbindung an das Stromnetz und künftig auch an die Übertragungsleitungen des Wasserstoff-Kernnetzes machen unsere Region attraktiv.“ Dennoch seien die finanziellen Spielräume begrenzt: „Für 2025 fehlen dem Landkreis 31 Millionen Euro im Haushalt. Die Projekte anzuschieben und die Bewältigung der Herausforderungen erfordern deshalb gemeinsames Handeln.“

Festvortrag: Wie Tech-Giganten Demokratie und Wirtschaft gefährden

Höhepunkt des öffentlichen Teils war der Festvortrag von Prof. Dr. Martin Andree, habilitierter Medienwissenschaftler, Autor und Unternehmer. Unter dem Titel „Game Over, Democracy? – Wie die Tech-Giganten Demokratie und Wirtschaft zerstören – und wie wir sie stoppen können“ analysierte er die zunehmende Macht globaler Tech-Konzerne aus den USA.

„Trump, die Tech-Oligarchen und die europäischen Populisten haben sich längst verbündet, um die europäischen Demokratien zu zerstören“, so Martin Andree. Ein Kernproblem nach seiner Einschätzung: „Digitale Monopole bringen immer größere Teile unserer Lebenswelt unter ihre Kontrolle. Schon jetzt kontrollieren die Plattformen in Europa die digitale Öffentlichkeit und damit die Grundlage unserer Demokratie. Zudem gefährden sie die Grundlagen einer freien Marktwirtschaft.“ Digitalexperte Martin Andree zeigte, wie weit die feindliche Übernahme unserer Gesellschaft durch die Tech-Giganten schon fortgeschritten ist – und wie wir uns das Internet zurückerobern können. In seinem leidenschaftlichen Appell forderte Andree unter anderem offene Plattformen, offene Standards und eine Deckelung der Marktanteile großer Anbieter. Zudem betonte er: „Strafbare Inhalte zu monetarisieren, sollte verboten werden. Plattformen sollten dafür haften, wenn sie solchen Content zu Geld machen“.

Ein Blick zurück – und viele Impulse für die Zukunft

Die Mitgliederversammlung der Wirtschaftsvereinigung Grafschaft Bentheim zeigte eindrucksvoll, wie eng wirtschaftliche Entwicklung, gesellschaftlicher Zusammenhalt und politische Verantwortung miteinander verbunden sind. Sie bot einen fundierten Rückblick auf das Jahr 2024 und starke Impulse und Perspektiven für die kommenden Herausforderungen.

Bildquellen: Wirtschaftsvereinigung der Grafschaft Bentheim e.V.