Grenzen überschreiten und Chancen nutzen

Günter Gülker (rechts), Geschäftsführer der Deutsch-Niederländischen Handelskammer, mit Gitta Mäulen und Klaas Johannink von der Wirtschaftsvereinigung Grafschaft Bentheim. Bild: Wirtschaftsvereinigung der Grafschaft Bentheim e.V.

Die Niederlande im Fokus der Grafschafter Wirtschaft

Die Niederlande sind nicht nur geografisch ein direkter Nachbar Deutschlands, sondern auch wirtschaftlich ein bedeutender Partner: Nach China und den USA ist die Niederlande Deutschlands drittgrößter Handelspartner weltweit und innerhalb Europas sogar der wichtigste. Auch als Hightech-Player, Vorreiter im Bereich Industrie 4.0 und nach den USA zweitgrößter Agrarexporteur der Welt spielen die Niederlande eine zentrale Rolle.

Aktuelle Einblicke in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft des Nachbarlandes erhielten Vertreterinnen und Vertreter aus Mitgliedsunternehmen der Wirtschaftsvereinigung Grafschaft Bentheim von Günter Gülker, Geschäftsführer der Deutsch-Niederländischen Handelskammer (DNHK). Im Fokus standen nicht nur die jüngsten Parlamentswahlen, sondern auch konkrete Perspektiven für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Chancen für Grafschafter Unternehmen.

Gülker betonte die Intensität der Beziehungen, insbesondere in den Regionen entlang der rund 400 Kilometer langen Grenze: „Täglich pendeln über 50.000 Menschen zwischen beiden Ländern, es gibt zahlreiche grenzüberschreitende Gewerbegebiete und mehr als 30.000 Studierende im jeweils anderen Land verdeutlichen die enge Verbindung.“

Das bilaterale Handelsvolumen beliefe sich im Jahr 2024 auf rund 205 Milliarden Euro, ein leichter Rückgang im Vergleich zum Vorjahr, der vor allem auf die deutlich gesunkenen Energiepreise zurückführen sei. Dennoch sei das Handelsvolumen der beiden Länder erstaunlich hoch, wenn man die Marktmacht der Mitbewerber betrachte: So lag das Handelsvolumen von Deutschland und den USA bei 253 Milliarden Euro, das Handelsvolumen von Deutschland und China bei 246 Milliarden Euro.

Die wichtigsten niederländischen Erzeugnisse auf dem deutschen Markt seien erneut mineralische Brennstoffe, chemische Erzeugnisse sowie technologische Produkte gewesen. In die Niederlande werde vor allem Maschinen und Fahrzeuge exportiert, gefolgt von chemischen Erzeugnissen sowie Fertigwaren.

Gülker hob die Bedeutung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit hervor: „Deutsche und niederländische Unternehmen ergänzen sich hervorragend. Auch die grenzüberschreitende Infrastruktur rückt stärker in den Fokus – etwa bei der Niedersachsenlinie oder im Binnenschiffsverkehr. Hier ist eine enge Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Auftraggebern und wirtschaftlichen Akteuren auf beiden Seiten der Grenze gefragt.“

Mit Blick auf die am 29. Oktober 2025 stattgefundene niederländische Parlamentswahl analysierte Gülker die politische Lage, da die Regierung unter Premierminister Dick Schoof nach nur gut einem Jahr vor dem Ende stehe.

Trotz stabiler wirtschaftlicher Entwicklung, gestiegenen Löhnen und einem Kaufkraftzuwachs von mehr als 3,5 Prozent, bleibe der schleppende Ausbau des Stromnetzes eine zentrale Herausforderung – rund 14.000 Unternehmen würden derzeit auf einen Anschluss warten.

Zudem rücke das Thema Arbeitsmarktintegration stärker in den Fokus. Denn die niederländische Wirtschaft, allen voran in der Lebensmittelindustrie, sei auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen. Gleichzeitig verschärfe deren Unterbringung die ohnehin angespannte Wohnraumsituation. Das führe dazu, dass viele Arbeitsmigranten in prekären Verhältnissen untergebracht seien – ein ungelöstes Problem, das nun auf die kommende Regierung warten würde.

„Die zentralen Wahlkampfthemen sind Wohnraummangel, Migration, Wirtschafts- und Energiepolitik sowie Umwelt- und Klimapolitik“, fasst Gülker zusammen.

Zum Wahlergebnis, das Rob Jetten von der linksliberalen Partei D66 für sich entscheiden konnte, sagt Gülker: „Der Wahlsieg von Rob Jetten und sein zukunftsorientierter Kurs geben Anlass zu Optimismus. Und Optimismus ist der Treiber der Wirtschaft. Ohne Zuversicht investiert niemand in die Zukunft – und genau diese Aufbruchstimmung braucht es jetzt.“ Für Unternehmen auf beiden Seiten der Grenze sei politische Stabilität entscheidend. Sie schaffe Planungssicherheit und sei die Basis für Investitionen, Wachstum und Wohlstand. Eine starke niederländische Wirtschaft liege im gemeinsamen Interesse Deutschlands und der Niederlande. „Deshalb hoffen wir auf eine zügige Regierungsbildung und eine Regierungskoalition, die Stabilität, Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft in den Mittelpunkt stellt und an der Seite Deutschlands wieder eine Vorreiterrolle in Europa einnimmt“, ergänzt Gülker.