Chancen der digitalen Transformation

Gitta Mäulen, Geschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Grafschaft Bentheim, mit den Referenten der Informationsveranstaltung zum Thema „Chancen der digitalen Transformation“: (v.l.) Prof. Dr. Benjamin Jung (Hochschule Osnabrück), Andreas Bernaczek (Cornexion GmbH), Klaas Johannink (Ringoplast GmbH), Dr. Henning Krüp (LIST AG), Stefan Thien (Ringoplast GmbH), Thorsten Groß (doinstruct Software GmbH) und Dirk Brandt (Rosink GmbH Objekteinrichtungen). Bildquelle: Wirtschaftsvereinigung der Grafschaft Bentheim e.V.

Informationsveranstaltung mit Best-Practice-Beispielen lokaler Unternehmen

Die gegenwärtige digitale Transformation wirft bedeutende Herausforderungen für unsere Gesellschaft und das Unternehmertum auf. Ein grundlegendes Umdenken und die kritische Betrachtung etablierter Prozesse sind notwendig, um völlig neue Ansätze entstehen zu lassen.

Zu der Informationsveranstaltung „Chancen der digitalen Transformation“ der Wirtschaftsvereinigung Grafschaft Bentheim versammelten sich rund 45 Vertreter*innen regionaler Unternehmen im NINO-Hochbau in Nordhorn, um sich über Potenziale und Möglichkeiten der digitalen Transformation auszutauschen und Umsetzungen aus der regionalen Praxis zu hören.

Um das Thema einzuleiten, erläuterte Prof. Dr. Benjamin Jung, Professor für Wirtschaftsingenieurwesen, insbesondere Unternehmensführung am Campus Lingen der Hochschule Osnabrück, warum die Anpassungsfähigkeit von Unternehmen sehr bedeutsam für ihre Wettbewerbsfähigkeit ist. Basierend auf einer Studie von McKinsey verdeutlichte er die unzureichende Zielerreichung bisheriger Digitalisierungsbemühungen: So erreichen über 90% der befragten Unternehmen die Kostenreduktionsziele ihrer Digitalisierungs-Projekte nicht. Er empfahl den Teilnehmenden, im Team ein gemeinsames Verständnis für die digitale Transformation zu erarbeiten, intensiven Erfahrungsaustausch mit anderen Unternehmen zu pflegen, ausreichende Expertise intern aufzubauen und eine strategische Digitalisierungsinitiative – mit klaren Verantwortlichkeiten und Roadmap-geleitet – zu gestalten.

Aus der Praxis für die Praxis: Best-Practice-Beispiele lokaler Unternehmen

Dass sich Prozesse und Organisationsstrukturen im Zuge einer Digitalisierung teilweise komplett verändern oder sogar auflösen und neu zusammensetzen, wurde durch die Erfahrungen und Umsetzungen eines neuen ERP-Systems der Firma Ringoplast aus Ringe deutlich. Der Geschäftsführer Klaas Johannink sowie Stefan Thien berichteten beispielhaft über den Digitalisierungsprozess in der Buchhaltung des Unternehmens. Da das alte ERP-System schlichtweg zu langsam war, das System nicht mitwachsen konnte und aufgrund der hohen Komplexität eines Datenexports, entschied man sich zur Einführung eines neuen ERP-Systems für die Finanzbuchhaltung. „Im Zuge der Implementierung des neuen Systems haben wir unsere Stammdaten völlig neu strukturiert und beispielweise neue Artikel- und Kundennummern vergeben. Es war, als würden wir ein neues Unternehmen aufbauen“, betonte Johannink. Dass sich der Schritt der Digitalisierung gelohnt hat, macht ein Blick auf die messbaren Werte deutlich. Beispielsweise die Reduzierung des Zeitaufwands für täglich anfallende Buchungen von 6-7 Stunden auf 3 Stunden, die Integration der Anlagenbuchhaltung, die zuvor ausgelagert war und die Implementierung eines umfangreichen Forderungsmanagements. Für die Zukunft plant das Unternehmen die automatisierte Verarbeitung von Versanddokumenten, weitere Prozessautomatisierungen, den Ausbau des Berichtswesens und das kontinuierliche Hinterfragen von Prozessen – stets mit dem Ziel, zu ermitteln, was notwendig und machbar ist.

Wie kann die Produktion vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels optimiert werden? Diese Fragestellung war maßgeblich für die strategischen Entscheidungen der Rosink Objekteinrichtungen. Geschäftsführer Dirk Brandt zeigte, welche Optimierungspotenziale mit der Neugestaltung von Anlagen und Prozessen aufgegriffen wurden. Ansatzpunkte bildeten die hohe körperliche Belastung der Mitarbeitenden, der personelle Aufwand für die Sortierung der Einzelteile, ein verbesserter Überblick über den Fertigungsstand sowie der große Lagerbedarf. Mit der Einführung einer vernetzten, verketteten, sortierenden Losgröße-1-Anlage für maßgefertigte Objekteinrichtungen wird heute die Produktion und nachgelagerte Prozesse mithilfe digitaler Werkstücke gesteuert. Das ermöglicht dem Unternehmen, auftragsbezogene Sonderanfertigungen auch bei kleineren Bestellmengen, gewinnbringend und vergleichsweise kostengünstig zu produzieren. Sein Fazit nach Neubau und Inbetriebnahme der Anlage verdeutlicht die Chancen der Digitalisierung: Die Produktivitätssteigerung überstieg die Erwartungen. Ein MES-Regelwerk ist der Schlüssel zum Erfolg. Eine stufenweise Einführung war in diesem umfassenden Vorhaben nicht möglich. Die Umsetzung hat unerwartete Wettbewerbsvorteile für die Rosink Objekteinrichtungen erschlossen.

Daneben präsentierte Dr. Henning Krüp von der LIST Gruppe die digitalisierte Projektsteuerung anhand der Methode „Building Information Modeling“ (BIM), die bei der Planung, Konstruktion und Verwaltung von Gebäuden Anwendung findet. BIM nutzt ein intelligentes Modell, um umfangreiche und konsistente Informationen, geometrische Daten zu Bauteilen sowie Informationen zu Materialien, Kosten, Zeitplänen und Leistungsdaten zu integrieren. BIM ermöglicht die digitale Darstellung eines Objektes über den gesamten Bauzyklus hinweg, von der anfänglichen Planung über den Entwurf bis hin zur Bauphase und der anschließenden Inbetriebnahme.

Andreas Bernaczek von Cornexion sowie das Start-up Unternehmen doinstruct Software verdeutlichten in ihrem Beitrag „Synergien der Zusammenarbeit von KMUs und Start-ups“ anhand einer durch das Unternehmen doinstruct Software entwickelten digitalen Lösungen im HR-Bereich.

Die Auswertung einer abschließenden Abfrage unter den Teilnehmenden verdeutlichte die immense Bedeutung des Themas „Digitalisierung“ für die Unternehmen. Insbesondere die Bereiche Prozessgestaltung, interne Organisation und Rechnungslegung stehen im Fokus. „Der Erfahrungsaustausch während unserer Veranstaltungen unterstreicht die Wichtigkeit von praxisnahen Beispielen. Auch beim Thema „Digitalisierung“ werden wir unsere Mitgliedsunternehmen weiterhin unterstützen“, betonte Gitta Mäulen, Geschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung.