Wenn der Wasserstoff in die Grafschaft kommt

Bildunterschrift: Jutta Lübbert (Geschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung der Grafschaft Bentheim e.V.), Dr. Tim Husmann (H2-Region Emsland), Ralf Hilmes (Wirtschaftsförderung des Landkreises Grafschaft Bentheim), Nina Peuckert (Wirtschaftsvereinigung der Grafschaft Bentheim e.V.) 

Screenshot: Nina Peuckert

Infoveranstaltung der Wirtschaftsvereinigung stößt bei Unternehmen auf reges Interesse

Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Energiewirtschaft gilt Wasserstoff als Element der Zukunft. Schon in wenigen Jahren könnte das Gas mit der chemischen Formel H2 auch im Gewerbe und der Industrie eine tragende Rolle spielen. Was bedeutet dies nun für Grafschafter Unternehmer:innen? Welche Chancen zeichnen sich ab und was gilt es schon jetzt zu beachten? Diese Fragen wurden kürzlich bei einer Infoveranstaltung der Wirtschaftsvereinigung der Grafschaft Bentheim e.V. in den Blick genommen: Bei der digitalen Zusammenkunft mit dem Titel „Wasserstoff-Infrastruktur in
der Grafschaft Bentheim – Ausbau und Anwendungsmöglichkeiten“ zeigten Dr. Tim Husmann von der H2-Region Emsland und Ralf Hilmes von der Wirtschaftsförderung des Landkreises Grafschaft Bentheim aktuelle Perspektiven auf und standen den Teilnehmenden Rede und Antwort.

Beide Referenten machten deutlich: Das Thema spielt sich nicht in ferner Zukunft ab. Bereits 2024 könnte „grüner“ Wasserstoff – der mittels Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt wurde – für Unternehmen in hiesigen Breiten verfügbar sein. Die Region Emsland / Grafschaft Bentheim hat zusammen mit den südlichen Nachbarkreisen in Nordrhein-Westfalen sogar das Potential, in puncto Bereitstellung und Nutzung von grünem Wasserstoff insbesondere im Mobilitätssektor als „HyPerformer“ eine bundesweite Vorreiterrolle einzunehmen, wie Tim Husmann ausführt. In der H2-Region Emsland haben sich dazu verschiedene Wasserstoffakteure – unter anderem RWE und BP – zusammengeschlossen, um vor Ort das gemeinsame Ziel einer Energiewende durch Wasserstoff voranzutreiben.

Husmann unterstreicht, dass Wasserstoff und die Realisierung der entsprechenden Infrastruktur auf ganz vielfältige Weise für Unternehmen interessant sein kann: sowohl in direkter Anwendung, etwa beim Betrieb von H2-Fahrzeugen oder der Prozesswärmebereitstellung, als auch indirekt betrachtet, wenn es beispielsweise um die Herstellung von Komponenten für die Wasserstoffwirtschaft geht oder bei der Installation und Wartung der Anlagen. „Die Optionen sind zahlreich“, betont der Experte.

Mit Blick auf den Ausbau einer H2-Infrastruktur gehe es in erster Linie um die Aspekte H2-Gewinnung, -Transport und -Speicherung. Die Erzeugung im Emsland soll in den kommenden Jahren kontinuierlich ausgebaut werden. Eine Speicherung in größerem Umfang ist in sogenannten Kavernen möglich. Bezüglich des Transports gelten Pipelines als Mittel der Wahl, wobei diese nicht allesamt neu verlegt werden müssen: In Betracht gezogen wird die Nutzung früherer Erdgas-Leitungen, deren Umwidmung mit verhältnismäßig geringem Aufwand zu bewerkstelligen ist. Das in der H2-Region Emsland verankerte Projekt „GET H2 Nukleus“ etwa verfolgt den Aufbau eines überregionalen Leitungsnetzes und somit die Verbindung von Wasserstofferzeugern und industriellen Abnehmern. „H2-Pipelines müssen aktuell privatwirtschaftlich betrieben werden“, sagt Husmann. Ziel sei es, dass die Pipelines in den regulierten Markt aufgenommen und offen und diskriminierungsfrei genutzt werden können – also ein Handling wie bei Erdgasnetzen erfolgt.

Auch speziell in der Grafschaft tut sich einiges, wie Ralf Hilmes erklärt: Mit der H2-Region Emsland wolle man kooperieren, um Doppelstrukturen zu vermeiden. Unter anderem informiert Hilmes über eine bedeutsame Pipeline in der Grafschaft, die Bestandteil des geplanten „GET H2 Nukleus“-Netzes werden könnte: Die bisherige Erdgas-Leitung von Thyssengas führt vom niederländischen Vlieghuis bis ins westfälische Ochtrup und durchquert den Landkreis von Nord nach Süd. Grundsätzlich gelte dabei: Wer sich als Unternehmer für einen H2-Anschluss interessiert, sollte dies frühzeitig kundtun. Der Einbau eines dafür notwendigen „T-Stücks“ sei in der Ausbauphase noch relativ unkompliziert und kostengünstig, im laufenden Betrieb allerdings mit einem deutlichen Mehraufwand verbunden. Empfohlen wird, sich mit benachbarten Firmen abzusprechen und Bedarfscluster zu erstellen.

Perspektivisch ist laut Hilmes die Gründung einer offenen Grafschafter Planungsgesellschaft „Wasserstoff“ in Form einer KG beabsichtigt. In Vorbereitung ist weiterhin ein Förderprogramm für Grafschafter Unternehmen für eine Potentialanalyse zur Nutzung von Wasserstoff im eigenen Betrieb. Hilmes verweist zudem auf einen Energie-Workshop im Rahmen des Zukunftsforums „#Grafschafter Wirtschaft 2030“, der am 17. Mai 2022 von 16.00 bis 18.30 Uhr in Nordhorn stattfinden wird – weitere Infos dazu sind unter www.grafschaft2030.de zu finden. „Hier wollen wir ansetzen und mit Ihnen ins Gespräch kommen“, meinte Hilmes in Richtung der Unternehmensvertreter:innen.

Die Geschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung und Gastgeberin Jutta Lübbert bedankte sich bei den Referenten für die Ausführungen und unterstrich die Wichtigkeit des Themas. Es komme nun darauf an, den Kompass in den Unternehmen entsprechend auszurichten und sich mit dem Potential dieses neuen Energieträgers auseinanderzusetzen. Die Wirtschaftsvereinigung werde am Ball bleiben und künftig weitere Veranstaltungen, z. B. zur Entwicklung von Abnahme-Clustern anbieten.